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14. Februar 2006
Steuerwettbewerb und Steuergerechtigkeit
   


Unlängst hat der Kanton Obwalden sein Steuergesetz geändert. An der Urne haben über 80% der Stimmenden Ja gesagt zu einem Gesetz, welches reiche und wohlhabende Steuerzahler anziehen soll. Wie soll das geschehen? Hohe Einkommen und Vermögen werden künftig degressiv, statt wie üblich progressiv besteuert werden. Das heisst, die Kurve der Steuerabschöpfung erfolgt ab einer gewissen Höhe flach bis sinkend. Damit erhofft sich Obwalden – heute ein Kanton mit einer überdurchschnittlichen hohen Steuerbelastung - einen „Marktvorteil“ im interkantonalen und internationalen Steuerwettbewerb. Es wird argumentiert, mit der Ansiedlung von Wohlhabenden würden die Steuerkraft und damit die Erträge derart erhöht, dass letztlich auch die „Normalverdienenden“ davon profitierten.
Im Zusammenhang mit dem „Obwaldner Modell“ stellen sich berechtigte Fragen, welche über die reine Steuerpolitik hinausgehen.

Hat Obwalden die Bundesverfassung missachtet?
Diese Frage muss, nachdem bekanntlich eine entsprechende Beschwerde eingereicht wurde, das Bundesgericht beurteilen. Die Antwort wird aller Voraussicht NEIN heissen. Allein mit der „wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit“ (Art. 127 BV) zu argumentieren, greift wohl zu kurz. Dieser Verfassungsartikel bekommt im vorliegenden Fall Konkurrenz von zwei andern, ebenfalls in der Bundesverfassung festgeschriebenen Grundsätzen: der Kantonssouveränität und der Steuerhoheit der Kantone. Es besteht, so paradox es tönt, ein „Wettbewerb“ zwischen den einzelnen Bestimmungen der Bundesverfassung. Somit ist kaum vorstellbar, dass die Bundesrichter einen souverän gefällten Volksentscheid, der ganz eindeutig im eigenen kantonalen Zuständigkeitsbereich liegt, als nichtig erklären.

Wie viel Wettbewerb soll sein?
Die Frage nach dem Zuwenig und Zuviel beim Wettbewerb stellt sich nicht nur im Bereich der Steuern. Denken wir bspw. an die Globalisierung. Dort verkommt die reine, ausschliesslich wettbewerbsorientierte Marktwirtschaft, wenn sie keine ökologische und soziale Verantwortung übernimmt, zur Planwirtschaft des Kapitals.
Im internationalen Vergleich standen die Zeichen für unser Land auch schon günstiger. Unsere Staatsquote1 ist seit 1990 von 31,5 auf 38,8 Prozentpunkte angestiegen. Wenn diese Tendenz nicht gebrochen wird, verspielt unsere exportorientierte Volkswirtschaft einen ihrer letzten Trümpfe. Da kommt der interkantonale Steuerwettbewerb eigentlich wie gerufen. Er wirkt dämpfend auf die kantonalen Haushalte und ist somit ein taugliches Instrument vis a vis der Entwicklung unserer Staatsquote.
Das Gegenstück zum Steuerwettbewerb wäre eine vollkommen materielle Harmonisierung; die Folgen davon sind absehbar. Es erfolgte eine Nivellierung nach oben. Innert kürzester Zeit gehörten wir zu den Spitzenreitern im Steuerniveau unter den OECD Staaten. Die Zeche dafür zahlen würde unsere gesamte Volkswirtschaft.

Zu viel Wettbewerb kann allerdings auch ins Gegenteil münden und negative Folgen zeigen. Ein Staatswesen ist eben nicht in allen Teilen mit einer privaten Unterneh-mung zu vergleichen. Die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, - ob in Zug, Zü-rich, Sarnen oder im Entlebuch zu Hause - haben Anrecht auf eine staatliche Grundleistung. Und diese ist in strukturschwachen Gebieten nur erfüllbar, wenn ein angemessener Ausgleich funktioniert. Gewährleisten kann ihn in einem subsidiär aufgebauten Staatswesen wie der Schweiz immer nur die nächst höhere Ebene: Also, der Kanton für die Gemeinden und der Bund für die Kantone. Momentan funktionieren die entsprechenden Instrumente gut. Dafür braucht es aber auch in Zukunft die staatspolitische Vernunft beider Seiten. Die Geber müssen erkennen, dass es in einem wettbewerbsorientierten Steuersystem immer auch unverschuldete Verlierer gibt. Diese sind auf ein Ausgleichsgefäss angewiesen, welches von den Gewinnern im Wettbewerb gespiesen wird. Die Empfänger anderseits dürfen nicht in eine absolute Anspruchsmentalität verfallen. Denn Ausgleichszahlungen sind weder gottgegeben noch in Stein gemeisselt. Je nach Situation bedarf es laufend Korrekturen.

 

 
Was ist Steuergerechtigkeit?
Steuerpolitik ist nicht ausschliesslich unter dem Titel der Oekonomie zu betrachten. Sie hat, wie immer sie auch ausgestaltet ist, grossen Einfluss auf alle Bereiche staatlichen Handelns. Sie beeinflusst primär nicht nur die Staats- und Gesellschaftspolitik, sie bestimmt auch die allermeisten Bereiche der Sachpolitik. Denn, ohne die entsprechenden Einnahmen kann kein Haushalt die notwendigen Ausgaben tätigen. Wie also soll ein Staatswesen seine Mittel beschaffen? Ist es richtig, wenn für reiche Leute degressive Ansätze gelten? Wäre der Anreiz nicht schon gross genug, wenn die Kurve flach, nicht aber sinkend verlaufen würde? Darüber befindet in einer Demokratie letzten Endes der Souverän, das Volk. Obwalden hat für sich selber definiert, was innerhalb seiner Grenzen zu gelten hat.
Die Frage sei allerdings erlaubt, wie die übrige Schweiz reagiert hätte, wenn an Stelle des armen Kantons Obwalden entweder Zürich oder Zug das Gleiche gemacht hätte. Es ist vermutlich nach wie vor nicht das Gleiche, wenn zwei das Gleiche tun (oder, in unserem Fall, täten). Und so wäre wohl das, was momentan für das finanzschwache Obwalden allgemein als tauglich empfunden wird, für das reiche Zug kaum opportun.

Vom Obwaldner Modell profitieren Leute mit sehr hohen Einkommen und Vermögen. In der Regel sind diese in Bezug auf ihren Wohnsitz recht mobil. Sie können es sich leisten, ihr Domizil zu wechseln. Bei ihrem Entscheid spielt die Steuerbelastung am neuen Ort eine wesentliche Rolle.
Dagegen ist eine Vielzahl von Bürgerinnen und Bürger in unserem Land stark ortsgebunden. Allen voran sind es die Landwirte, welche existenziell mit ihrem Grund und Boden verbunden sind. Aehnlich präsentiert sich die Situation bei vielen Gewerbetreibenden. Auch sie sind auf Grund ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit mit ihrem Geschäftsdomizil verwurzelt. Und ebenfalls nicht beliebig ihren Wohnsitz wechseln können viele Inhaber von selbst genutztem Wohneigentum. Ueberwiegend sind es Familien, welche mit ihrem Eigenheim stark ortsgebunden bleiben.
Zusammengefasst kann man feststellen, dass es der so genannte Mittelstand ist, welcher naturgemäss stark mit seiner Wohngemeinde verbunden ist. Nur, unser Steuersystem honoriert diese Domiziltreue nicht. Oder, führt der Kanton Luzern nächstens so etwas wie einen Treuerabatt für langjährige Steuerkunden ein? Das wäre schweizweit ebenfalls neu. Was spricht dagegen? Das Bundesgericht? Wohl kaum; denn der Souverän hätte ja vorgängig entschieden….


Ruedi Lustenberger, Nationalrat (CVP), Romoos1

Staatsquote: Ausgaben von Bund, Kantone und Gemeinden im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt (BIP) in %.

 
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