Neues Finanzierungsmodell gefährdet Kontinuität
Die
höhere Berufsbildung ist in unserem Land als Anschluss
an die Berufslehre konzipiert. Sie wird vor allem von
den Berufsverbänden organisiert und von ihnen
und dem Bund finanziell unterstützt. Damit wird
eine gewisse Kontinuität sichergestellt. – Das
neue Berufsbildungsgesetz sieht nun eine Umverteilung
der entsprechenden Kompetenzen und Verantwortungen
auf die Kantone vor. Im Übergang zur neuen Ordnung
treten Unklarheiten und Unsicherheiten auf. Sie schwächen
die höhere Berufsbildung und damit eine wichtige
wirtschaftliche Ressource; denn das Heranbilden von
Kadern ist für Wirtschaft und Gesellschaft von
vitaler Bedeutung.
Bund soll einen Viertel tragen
Das neue Berufsbildungsgesetz nBBG wurde in der Wintersession
2002 von den Eidg. Räten verabschiedet und ist
seit Anfang 2004 in Kraft. Es sieht u. a. Änderungen
bei der der höheren beruflichen Bildung vor. Die
finanzielle Benachteiligung der beruflichen gegenüber
der akademischen Bildung soll durch eine Erhöhung
der Mittel korrigiert werden. Der Bund muss nach diesem
Gesetz neu 25 % Prozent der Kosten für die gesamte
Berufsbildung tragen, derzeit liegt man bei rund 18
%. Das tönt beim ersten Hinhören gut. Nur,
die beschlossenen Verbesserungen für die berufliche
Weiterbildung werden durch die neue Einbindung der
Bereiche Gesundheit, Soziales, Kultur und Landwirtschaft
wieder kompensiert. Die höhere Berufsbildung sieht
sich deshalb weiterhin mit einer engen Finanzsituation
konfrontiert, die Spielräume sind auch künftig
begrenzt. Deshalb besteht kein Platz für Unsicherheiten
und Verzögerungen, welche sich beim Übergang
zum vorgesehenen Finanzierungsmodell abzeichnen.
Bisher
von den Verbänden vorfinanziert
Im Rahmen des alten Berufsbildungsgesetzes haben der
Bund (Bundesamt für Berufsbildung und Technologie
/ BBT) und die Kantone die Höhere Berufsbildung
zu respektablen Teilen finanziert. Die Organisationen
der Arbeitswelt OdA (Verbände), die Fachschulen
und Kursorte bekamen die staatlichen Unterstützungsleistungen – wenngleich
mit Verzögerung bis zu drei Jahren – verbindlich
zugesprochen. Diese Nachtragssubventionierung stützte
sich zwar auf einen komplizierten Verteilschlüssel
und verlangte eine Vorfinanzierung durch die OdA. Jedoch
waren die Beiträge verbindlich und planbar.
Die Kantone sind in der Pflicht
Das nBBG soll nun die OdA und ihre Bildungsinstitutionen
von der Pflicht zur Vorfinanzierung entlasten. Das
ist durchaus positiv zu werten. Um eine individuelle
und rasche Auszahlung der staatlichen Subventionen
an die Institutionen zu ermöglichen, werden die
Bundesbeiträge den Kantonen pauschal zur Verfügung
gestellt. Diese wiederum sprechen ihre Zahlungen den
OdA und ihren Schulungseinrichtungen im Sinne einer
Gegenwartsunterstützung halbjährlich zu.
Das nBBG setzt den Systemwechsel mit einer Übergangsfrist
von vier Jahren auf den 1. Januar 2008 in Kraft.
Die Kriterien zur Zuteilung der Fördermittel sind
allerdings noch nicht definiert, der entsprechende
interkantonale „Masterplan Höhere Berufsbildung“ soll
bis 2010 stehen. Zwischenzeitlich wird die Abgeltung
nach der Fachschulvereinbarung geregelt. Dabei zeichnet
sich schon heute ab, dass kantonale Interessen einer
landesweit angeglichenen Finanzierung vorangestellt
werden. Davon betroffen sind namentlich Bildungsinstitutionen
mit überkantonaler oder landesweiter Ausstrahlung.
Im konkreten Fall hiesse das, dass ausserkantonale
Weiterbildungsinteressenten mit markant höheren
Gebühren belastet würden, nur weil zwischen
Anbieter- und Wohnkanton keine Regelung besteht. Gegen
solche Tendenzen wendet sich die Forderung des Schweizerischen
Gewerbeverbandes (SGV) nach voller Freizügigkeit
bei der Wahl des Bildungsinstituts. Sie will die Auswahl
von unterschiedlichen Ausbildungsvarianten möglich
machen. Modularisierte Ausbildungsgänge, wie sie
heute üblich sind und den Vorteil der geografischen
Flexibilität beinhalten, sind auf den unbeschränkten
Zugang zu landesweit einheitlichen Bedingungen angewiesen.
Das bedingt allerdings klare Absprachen und Regelungen.
Grundlage für diese Forderung bildet Art. 1 des
nBBG, wonach die Berufsbildung eine Verbundaufgabe
aller Beteiligten ist und deshalb gemeinsame, tragfähige
Lösungen entwickelt werden sollen. .
|
Übergangsregelung dringend notwendig
Eine weitere Fussangel bei der Umsetzung des nBBG liegt
im zeitlichen Übergang zwischen der bisherigen
Nachtragsfinanzierung zur Gegenwartsfinanzierung über
die Kantone. Die zeitliche Verzögerung der Bundeszahlungen
an die Kantone verlangt von diesen – zumindest
für den Zeitraum 2007/2008 – eine Bevorschussung
für ein Jahr. Abgesehen von bilateralen Notlösungen
zwischen einzelnen OdA, Schulinstitutionen und Kantonen
ist noch keine einheitliche Regelung erkennbar. Beispiel
für eine unbefriedigende Lösung ist die
kantonale Bevorschussung der Bundesbeiträge
von 60 %, die durch den Kanton Luzern an das Ausbildungszentrum
des Baumeisterverbandes SBV in Sursee geleistet wird.
Dadurch fehlen den Baumeistern nach wie vor 40 %
des budgetierten Bundesbeitrags. In anderen Branchen
ist die Situation vergleichbar, eine Deckung des
Fehlbetrags ist nicht ersichtlich. Schwerer noch
als das konkrete Defizit im Einzelfall wiegt jedoch
die momentane, allgemeine Unsicherheit und Unklarheit,
die sich durch die Föderalisierung der Bildungsbeiträge
ergibt.
Der Bund in der Gesamtverantwortung
Die Umsetzung des nBBG obliegt dem Bund. Die Kantone
haben sich grösstenteils noch nicht auf das neue
Finanzierungssystem eingestellt. Deshalb droht der
höheren Berufsbildung eine markante Finanzierungslücke.
Eine von Nationalrat Werner Messmer eingereichte und
von mir mit unterzeichnete Interpellation macht den
Bundesrat auf seine Verantwortung aufmerksam.
Die Interpellanten fragen nach geeigneten Lösungsvorschlägen
zur Sicherstellung eines kontinuierlichen Finanzflusses.
Sie kritisieren die Finanzierungslücke, welche
auf Grund von Rechtsunsicherheiten entstanden ist und
fordern die Gleichbehandlung kantonaler und interkantonaler
Bildungsangebote. Im Weiteren wären Zweifel bei
den Bildungswilligen zu erwarten. Denn unklare, möglicherweise
sogar unfaire Verhältnisse sind der Motivation
zur Weiterbildung nicht förderlich. Darüber
hinaus könnten undurchschaubare und uneinheitliche
Finanzbedingungen einen Teil der Bildungswilligen von
ihrer beruflichen Entwicklung sogar ausschliessen.
Die Folgen wären im Einzelfall ebenso fatal wie
für unsere Wirtschaft schädlich. Denn gut
ausgebildete Berufskader sind eine der wenigen Ressourcen
unseres Landes. Wir sollten sie nicht durch unklare
Regelungen blockieren. Die kontinuierliche Finanzierung
der beruflichen Weiterbildung ist für das Gewerbe
nach wie vor von elementarer Wichtigkeit. Unser Land
kann sich hier keine Aussetzer leisten.
Ruedi Lustenberger, Nationalrat (CVP / LU) Präsident
des Verbandes Schweizerischer Schreinermeister und
Möbelfabrikanten VSSM
Vollständiger Text mit Statistiken als pdf |